Kampf gegen das Leiden des Rassegeflügels

Vogelgrippe – Beirat fordert wissenschaftliche Erklärungen

Der Beirat des BDRG kann nach intensiver Arbeit mit dem Thema Vogelgrippe erste Ergebnisse vorlegen. BDRG-Präsidenten Christoph Günzel, der Beauftragte für Tier- und Artenschutz im BDRG, Dr. Michael Götz, die Tierärzte Dr. Matin Linde und Dr. Markus Freick, die Virologin Dr. Kristin Heenemann, der Virologe Dr. Ralf Dürrwald, der Redakteur a.D. Peter Jahn und der BDRG-Beisitzer Steffen Kraus legten die Vorgehensweise zu den Themenkomplexen Stallpflicht, dem Umgang mit den Behörden sowie Impfung gegen Vogelgrippe und Klage gegen das Verbot von Taubenausstellungen fest.

Stallpflicht
In einigen Bundesländern gibt es die Überlegung die Stallpflicht zu verlängern. Um dies zu verhindern, ist es wichtig, dass sich die Landesverbände und Züchter an die jeweils zuständigen Ministerien und Politiker wenden. Ein Musterbrief, der individuell gestaltet werden sollte, wurde entworfen. Besonders dramatisch wäre es, wenn die Stallpflicht in die Aufzuchtzeit oder darüber hinaus weitergeht. Gegen die Stallpflicht sollen gezielte Aktion bei Landtagsabgeordneten und Ministerien in die Wege geleitet werden. Jeder Züchter ist dazu aufgerufen, sich mit den Politikern und den Ämtern in Verbindung zu setzen, um der Forderung nach mehr Tierschutz und Tierwohl Nachdruck zu verleihen. Die Presse ist für uns im Kampf gegen die Aufstallung eminent wichtig, denn die Medien können der Öffentlichkeit zeigen, wie sich die „armen“ Puten, Gänse, Enten und Hühner ohne Auslauf quälen.

Schlagkräftige Argumente gegen die Stallpflicht soll die vom BDRG in Auftrag gegebene Masterarbeit zum Thema „Stallpflicht und ihre Folgen für Zuchten und Züchter“ liefern. Diese Arbeit ist wichtig, um wissenschaftlich etwas in der Hand haben. Daneben sollen in einer Befragung die Auswirkungen der Maßnahmen der Geflügelpestverordnung auf die Rassegeflügelzucht dokumentiert werden, z.B. wieviel Tiere von unseren Züchtern geschlachtet werden mussten, um das Geflügel in den Ställen halten zu können oder wie viele Zuchten aufgegeben werden mussten Thomas Müller-Gemeinhardt und Michael Götz erläuterten, dass es schwierig und wenig erfolgsversprechend ist gegen die Stallpflicht zu klagen. Der BDRG unterstützt zwei Klagen aus unterschiedlichen Bundesländern.

Wichtige Fragen, die es zu klären gilt, sind: Wie viele Wirtschaftsbetriebe oder Hobbyhalter sind von der Vogelgrippe betroffen, waren die Tiere aufgestallt oder nicht? Die Antworten könnten helfen, deutlich zu machen, dass die Stallpflicht nicht den gewünschten Schutz bringt.

Dr. Martin Linde wird sich deshalb speziell des Ziergeflügels annehmen und die Problematik der Ausstallung aufzeigen, die mit großem Stress bei dieser nicht artgerechteren Haltung einhergehen. Wichtig wird es sein, über den Tierschutzgedanken in die Köpfe der Menschen zu kommen. Eine Prüfung der Ausbrüche der Vogelgrippe in Wirtschaftsgeflügelbetrieben und außerhalb wird vermutlich zeigen, dass 95 Prozent der Geflügelindustrie zuzurechnen sind. Und dies trotz aller Sicherheitsmaßnahmen. In diesem Zusammenhang wird es wichtig, intensiv mit der Tierärztekammer und dem Friedrich-Löffler-Institut zu diskutieren. Noch immer gibt es zum Thema Vogelgrippe keine nachvollziehbare wissenschaftliche Erklärung für die Infektionswege. Inzwischen wird gemutmaßt, dass der Wind dafür verantwortlich sein könnte, dass die Viren in die Ställe kommen. Wäre dies der Fall, so ist dies ein gutes Argument dafür, dass Aufstallung nicht vor einer Infektion schützen kann und andere Biosicherheitsmaßnahmen ausreichend sind. Thomas Müller-Gemeinhardt betont, dass eine Statistik wichtig ist, denn sollte sich erweisen, dass nicht differenziert wird, ist eine Empfehlung zur Aufstallung ohne Grundlage. Wer empfiehlt, dass das Geflügel in den Ställen bleibt, muss wissenschaftliche Grundlagen dazu vorlegen. Gibt es diese nicht, ist die Forderung die Tiere nicht nach draußen zu lassen, ein grober Verstoß gegen den Tierschutz.

Umgang der Behörden
Unsere Züchter fordern Gleichbehandlung von den Behörden. Durch den Föderalismus gibt es in Deutschland riesige Unterschiede. In Nordrhein-Westfalen finden Geflügelschauen ohne Wassergeflügel und Taubenschauen statt. In Sachsen geht gar nichts. Selbst in Kreisen, in denen nichts vorgekommen ist, werden keine Ausnahmen gemacht und Schauen nicht genehmigt. Vor Brut und Aufzucht muss bei den zuständigen Behörden möglichst viel erreicht werden. Der Föderalismus, den es so ausgeprägt nur im Schul- und im Seuchenrecht gibt, hat Vor- und Nachteile, betont Michael Götz. So ist er der Ansicht, dass bei der Verhängung der Stallpflicht Entscheidungen der einzelnen Länder sinnvoller sind als eine bundeseinheitliche. So können wenigstens Bundesländer ohne oder mit wenig Fällen auf eine Stallpflicht verzichten.

Thomas Müller-Gemeinhardt verweist auf den Fall Wörth. Dort hat die Öffentlichkeit sich sehr stark mobilisieren lassen. Der BDRG und der Tier- und Artenschutzbeirat war mit Christoph Günzel, Franz Nuber und Michael Götz in die Geschehnisse in Wörth eingebunden. Dr. Ralf Dürrwald sieht die Chance, da es kein Wissen über die Ausbreitung des Vogelgrippe-Virus gibt, dass vielleicht eine medizinische Überwachung Aufschlüsse geben kann. Was das Problem überhaupt betrifft, müsse abgewartet werden, ob sich weiterer Tiere infizieren. Der erkrankte Pelikan, der im Opel-Zoo in Kronberg im Taunus mit anderem Geflügel in Kontakt gekommen ist, hat den Erreger nicht weitergegeben. Das deutet daraufhin, dass in der Freilandhaltung die Infektionsgefahr wesentlich geringer zu sein scheint, als in der Massentierhaltung, wo sich die Tiere auf engstem Raum bewegen. Die Forderung muss daher lauten: Wir brauchen belastbare wissenschaftliche Untersuchungen.

Dieser Fall in Wörth hat aber auch gezeigt, dass es sehr wichtig ist, auf eine Änderung der Geflügelpestverordnung in Hinsicht auf die Bekämpfung der niederpathogenen Influenza zu drängen. Die Keulungspolitik ist hier nicht richtig, ist man sich im Gremium einig. Christoph Günzel geht davon aus, dass viele Wildvögel das niederpathogene Virus in latenter Form tragen. Er sieht auch die Möglichkeit, dass aus Fällen wie in Wörth gelernt werden kann, wie mit befallen Beständen verfahren werden kann.

Impfung gegen Vogelgrippe
Eine Möglichkeit die Tiere zu schützen bieten Schutzimpfungen. Was das Impfen anbelangt hat das Friedrich-Löffler-Institut nur Erfahrungen mit Notimpfungen. Hier ist die Zeit knapp, damit die Tiere einen Impfschutz aufbauen können und das Problem der Dauerausscheider wird verstärkt. Deshalb sollte man mehr in Richtung prophylaktischer Impfung gehen. Doch dagegen steht das rechtliche Impfverbot, das auch eine intensive Forschung verhindert. Daraus ergibt sich eine neue Problematik, denn wird das Impfen erlaubt, fehlt vermutlich der Impfstoff. Unsere Forderung lautet deshalb: Das Impfverbot muss aufgehoben werden, um Erfahrungen zu sammeln, denn eine Impfung ist die einzige Möglichkeit, um aus der Misere herauszukommen. Michael Götz führt dazu aus: Wenn das Virus sich in der Wildpopulation festsetzt, ist die Impfung eine der wenigen Möglichkeit vom Ausstellungsverbot und der Aufstallung wegzukommen. Er glaubt jedoch, dass es ein sehr langer Weg bis zur Zulassung der Impfung ist.

Dr. Kristin Heenemann ist sicher, dass bei der Herstellung eines Impfstoffes Erfahrungen der Humanmedizin genutzt und verschiedene Virustypen der Vogelgrippe in einem Impfstoff vereint werden können. Tierärzte, die für Großbetriebe arbeiten, möchten wegen der großen Verluste auch dort den Impfstoff. Noch ist das Verbot im Tiergesundheitsgesetz verankert. Thomas Müller- Gemeinhardt glaubt, dass wegen des grenzübergreifenden Geflügelhandels wahrscheinlich nur noch die EU entscheiden kann, ob geimpft wird. Christoph Günzel möchte sich beim Europaverband einsetzen. Michael Götz geht fest davon aus, dass auch Deutschland wegen seines großen Einflusses in Brüssel den Anstoß für die Aufhebung des Impfverbots geben könnte.

Klage gegen Verbot von Taubenausstellungen
Tauben aus der Lebensmittelkette herauszunehmen bringt keine Vorteile, da in Deutschland die Tauben in der Geflügelpestverordnung schon jetzt nicht mehr unter den Begriff Geflügel fallen. Ausstellungsverbote gibt es für alle Vogelarten. Es hat hingegen den Nachteil, die Tiere nicht mehr essen zu dürfen. Im Unterschied zum Istzustand, könnten die Züchter zwar Medikamente verwenden, die für Tiere, die als Lebensmittel dienen, aber nicht zugelassen sind. Das größte Problem einer Herausnahme aus der Lebensmittelkette wäre, dass die Züchter ihre Tiere nicht mehr schlachten dürfen, da eine Tötung ohne vernünftigen Grund tierschutzrechtlich verboten ist.

Thomas Müller-Gemeinhardt sieht die Möglichkeit einer erfolgreichen Klage gegen das Ausstellungsverbot. Derzeit ist die Argumentationsschiene für ein Verbot, dass viele Menschen die Schauen besuchen und die Erreger an den Schuhsohlen weitertragen. Da wäre zu klären, überlebt das Virus über längere Zeit, da es fragil gegen Wärme und Trockenheit ist. Die Argumentation für die Verbreitung durch die Schaubesucher geht gegen Null, wenn das Virus sich nicht lange hält. Kirstin Heenemann erklärt zudem, dass von einer Tröpfcheninfektion ausgegangen wird.

Für Thomas Müller-Gemeinhardt bleiben die Fragen: Ist Übertragung durch Schuhe überhaupt haltbar? Auf welche wissenschaftliche Arbeit stützt sich diese Aussage? Wo sind Belege oder Erfahrungen, dass eine Verbreitung der Vogelgrippe von Ausstellungen ausgehen kann, oder wurde bisher nur aus dem Bauch heraus entschieden? Beim Friedrich-Löffler-Institut soll nochmals in diesen Punkten angefragt werden. Für Dr. Kristin Heenemann ist es für die weitere Argumentation auch wichtig zu wissen, in welchen Haltungsformen die Vogelgrippe vornehmlich ausgebrochen ist. Eine Antwort darauf könnte die Weltgesundheitsorganisation geben, bei der deshalb angefragt werden soll.

Der Beirat befürwortet, dass eine Klage gegen das Ausstellungsverbot von Tauben anstrengt wird, wird dabei unterstützen und nach wissenschaftlichen Grundlagen für die Argumentation vor Gericht suchen.

Was die Klage anbelangt, weist Thomas Müller-Gemeinhardt daraufhin, dass unterschieden werden müsse, ob es um eine örtliche oder überörtliche Schau handele und ob Aussteller aus einem Sperrgebiet oder Beobachtungsgebiet kommen. In diesem Zusammenhang weist Dr. Martin Linde darauf hin, dass es wichtig ist gegen Aussteller vorzugehen, die sich nicht an Auflagen halten. Er fügt an, dass es nicht nur wichtig, sondern eine Pflicht ist, für Sicherheit sorgen. Wir brauchen eine saubere Weste, um glaubwürdig zu sein. „Die Züchter müssen uns unterstützen “, so lautet der Appell des Beirats.

„Wir sind uns einig, dass die Züchter schnellstmöglich über die Arbeit des Beirats informiert werden, damit sie 2017 ganz normal züchten“, betont Christoph Günzel. Wichtig sei dabei auch die Information über Ausnahmegenehmigungen zur Aufstallung und Beprobungen. Sentinelhaltung ist vom Gesetz vorgesehen und gleichwertig mit der Tupferprobenentnahme, was sich der Beirat noch einmal vom Bundesministerium bestätigen lies. Bei Antragstellung müssen die Züchter auch jetzt schon unbedingt Wert darauf legen, dass bei ihnen die Sentinelhaltung vorliegt.

 

Peter Jahn
Seuchenbeirat des BDRG