Diskussion mit Bundespolitikern zum Umgang mit der Vogelgrippe

Noch immer keine wissenschaftlich belastbaren Daten

Wer als Vertreter der Rassegeflügelzüchter mit großen Erwartungen am 26. April nach Berlin gefahren ist, wird enttäuscht. Beim Treffen mit Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD im Jakob-Kaiser-Haus  wird deutlich, dass viele Politiker allein die Aussage und Empfehlungen des FLI als Bundesinstitut, das dem BMEL angegliedert ist, uneingeschränkt übernehmen und die Interessen der Geflügelwirtschaft schwerer wiegen als die der Rassegeflügelzüchter. Besonders problematisch für die Rassegeflügelzucht sind die Aussagen des FLI und dessen Leiters, Prof. Dr. Dr. Mettenleiter, dass alleine die Wildvögel Schuld an den Ausbrüchen sind. Waren es nach dem Ausbruch der Vogelgrippe im November 2016 die Wildvögel, die verantwortlich für die Einschleppung gemacht worden waren, folgte im Januar die Windtheorie, nun sieht die Bewertung des FLI wieder die Vögel als Überträger.

Der Reihe nach: Auf Initiative von Lars Steenken, Vorsitzender im Landesverband Weser-Ems, hatte die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann nach Berlin eingeladen. Sie betont, dass man bei der Vogelgrippe-Problematik bestrebt sei, Fortschritte zu erzielen, denn „es geht auch um die vielen kleinen Hühnerhalter und die Erhaltung der Rassegeflügelzucht“. Sie habe die Sorge verstanden, denn „noch einmal solch ein Ereignis wie 2016 wäre für die Rassegeflügelzucht kritisch“, sagt sie in ihrer Einführung. Lars Steenken verweist auf die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Landkreise bei der Bewertung des Risikos und die fehlende Koordination zwischen Bund, Ländern und Kreisveterinären. Hier werde so und bei gleichen Bedingungen wenige Kilometer weiter anders entschieden, wenn es um Aufstallung oder Ausnahmegenehmigungen gehe. Die betroffenen Geflügelzüchter und –halter wüssten nicht, wer eigentlich zuständig sei. Landesregierungen entscheiden über eine generelle Aufstallung, Kreisveterinäre berufen sich auf Empfehlungen des FLI oder auf das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Lars Steenken kritisiert, dass es an einer Koordination fehle.

Auf die derzeitige Situation in punkto Vogelgrippe geht zunächst Dr. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin, ein. 2016 sei der schlimmste Ausbruch der Vogelgrippe zu verzeichnen gewesen, der erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Geflügelbetriebe gehabt habe. „Zum Ende diesen Jahres kommen wir wieder in den Gefährdungsbereich“, ist sie sicher. Sie verweist auf den 28. und 29. Juni, denn dann soll im Bundesministerium das Infektionsgeschehen beleuchtet und Manöverkritik geübt werden. Eingeladen werden zu dieser Veranstaltung auch Vertreter des BDRG. Ziel der Veranstaltung sei, „bei einem neuen Seuchengang besser gewappnet zu sein.“

Dr. Mettenleiter erklärt, dass es seit 1878 die Vogelgrippe gebe und „wir immer damit rechnen müssen, dass Wildvögel diese global verbreiten. Die Lektion heißt, dass sich ein Ausbruch immer wiederholen kann.“  Weiter führt es aus: „Wir haben schon gut gelernt“, Ziel sei es „das deutsche Nutzgeflügel frei von Geflügelpest zu bekommen“. Zuerst seien es die Wildvögel, dann das Nutzgeflügel, so sieht er den Infektionsweg: „Der Infektionsdruck kommt aus der Natur.“ Die Aufstallung gehöre daher zu den Biosicherheitsmaßnahmen. Und da seien die Veterinärbehörden vor Ort gefragt, „denn die sind am nächsten dran“.

Die dramatische Situation der Rassegeflügelzucht beschreibt Dr. Michael  Götz. Die Anlagen der Rassegeflügelzüchter sind kleine Nebenanlagen mit kleinen Ställen, die den Tieren nur zum Übernachten dienen. Die Züchter haben viele Zuchttiere, zumeist alte Rassen, die andere Bedürfnisse haben als die der Wirtschaftsgeflügelhalter, die ihre Tiere vor der geschlechtsreife schlachten. Seine Bronzeputen fliegen noch im Alter von fünf Jahren aufs Dach, „Gänse brauchen Gras, Streicherenten haben ihren Namen, weil sie durchs Gelände streifen und Laufenten weil sie weite Stecken im Gelände laufen“. Mit der Aufstallung mussten viele Tiere getötet werden und viele Züchter hörten auf. Dadurch werde die Genetik sehr eng. Die Tiere, die Freilauf gewöhnt sind und diesen brauchen, leiden in den Ställen, die Stallpflicht ist für die Rassegeflügelzucht existenzbedrohend.

Der SPD Bundestagsabgeordnete, Dr. Wilhelm Priesmeier, sieht auch angesichts des Vortrags von Michael Götz „für größere Änderungen und Ausnahmen keine Möglichkeit, auch wissenschaftlich nicht“. Seine Parteikollegin Dr. Karin Thissen, wie er ebenfalls Tierärztin, führt aus, dass Amtstierärzte das Verweigern einer Ausnahmegenehmigung begründen müssen, für die Züchter bleibe der Weg vors Verwaltungsgericht. Dr. Michael Götz verweist darauf, dass die Hobbyhaltung ein deutlich über 50 -fache geringeres Risiko des Eintrags von Vogelgrippe als in Wirtschaftsgeflügelbestände hat und hier daher andere Auflagen gelten müssen. Sollte es bei diesen Auflagen bleiben und es noch zwei Jahre so weitergehen, wird die Rassegeflügelzucht am Boden liegen.

Eine Ausnahmegenehmigung, falls sie überhaupt erteilt wird, gehe meist mit einer Beprobung alle 21 Tage einher und jedes Mal mit 300 Euro Kosten, was den Züchtern finanziell nicht zugemutet werden könne. Er fordert: keine landesweiten Aufstallung. Diese nur in absoluten Risikogebieten zeitlich befristet, und  Netze als Schutz und Alternative zu einem Dach. BDRG-Präsident Christoph Günzel ergänzt, dass Sperrkreise für eine bestimmte Zeit kein Problem sind. Er fordert Alternativen zur Beprobung, da sich, wie Dr. Mettenleiter sage, nicht quantifizieren lasse, was die Aufstallung bringe. Den Ausführungen von Dr. Michael Götz entgegnet Prof. Dr. Dr. Mettenleiter, dass „der Kot der Wildvögel vom Himmel fällt und ein Netz nach seiner Ansicht nicht ausreichend ist“, ihm „ist bewusst, dass die Maßnahmen wehtun“.

Lars Steenken geht darauf ein, dass bei den Wirtschaftsgeflügelhaltern Mist aus Ställen, in denen die Tiere gekeult wurden, nach draußen gebracht und mit Planen abgedeckt werde, was die Übertragung durch Wind fördere. Dazu Dr. Mettenleiter: „Ein vorläufiges Ergebnis zeigt, dass Wind keine wesentliche Rolle spielt.“ Lars Steenken sieht auch die Gefahr der Übertragung durch Schadnager, die sich auf den Misthaufen Nahrung suchen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete, Hermann Färber, räumt ein: „Schadnager können auch ein Risiko sein.“ Und er fügt an: „Auch das Futter wächst draußen.“

Franz Nuber, Mitglied im Beirat für Tier- und Artenschutz im BDRG, stellt klar, dass bei den Ausbrüchen der Vogelgrippe lediglich zehn Bestände von Hobbyhaltern betreffen, 16 Fälle in Parks und Zoos bekannt sind, aber 53 Putenmastbetriebe gekeult werden mussten. Unter den Begriff Hobbyhaltung fallen auch alle Betriebe, die bis Tausend Tiere halten. Er sieht einen großen Unterschied zwischen Hobbyhaltung und Geflügelwirtschaft, weist auf die gesellschaftliche Bedeutung der Rassegeflügelzucht und die Zunahme der Kleinhaltungen für das Frühstücksei und den guten Braten hin. Franz Nuber hält Biosicherheitsmaßnahmen für unbedingt notwendig, fordert aber eine Trennung von Rassegeflügelzucht und Wirtschaftsgeflügelhaltung, wenn es um die Aufstallung geht. Eine landesweite Aufstallung hält er für nicht angezeigt. „In Restriktionsgebieten sollte aufgestallt werden, aber nur für 21 Tage, dann muss das Gebot wieder aufgehoben werden.“ Die These, dass Wildvögel für die Verbreitung der Vogelgrippe verantwortlich gemacht werden, ist für ihn „sehr vage“ und unzureichend belegt.

Für Dr. Wilhelm Priesmeier ist es wichtig, dass man sich „auf den nächsten Seuchenfall vorbereitet, Ausnahmen müssen wissenschaftlich begründet sein“. Britta Connemann appelliert abschließend, die Belange der Rassegeflügelzucht ernst zu nehmen. „Die Situation ist schwierig, alle Interessen müssen gleichwertig betrachtet werden.“ Es sei deutlich geworden, dass den Veterinären vor Ort eine große Bedeutung zukomme. Sie müssten besser informiert werden, denn sie sehe auch, dass „einige von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen, andere Angst vor einem Risiko haben“, ja in einigen Bundesländern eine generelle Aufstallpflicht verordnet wurde. In Hinblick auf das Treffen im Juni sagt sie: „Wichtig ist nun, belastbare Daten und Fakten auf den Tisch zu legen.“ Christoph Günzel verspricht, dass der BDRG mit ersten Ergebnissen seiner Untersuchung zur Auswirkung der Stallpflicht vorlegen wird.

 

Peter Jahn