Bericht über die "Epi Days 2017"

Das Friedrich-Löffler-Institut begrüßte über 100 Amtstierärzte und Wissenschaftler zu den EPI Days 2017 („Epidemiologie in der praktischen Anwendung“) in Greifswald.

Am Donnerstag, den 23.03. wurden Themen wie „Afrikanische Schweinepest; Neue Methoden in der epidemiologischen Analyse; Zunahme von Campylobacteriose-Ausbrüche durch Rohmilchverzehr; Lumpy Skin Disease und Aufklärung von Krankheitsausbrüchen mittels investigativer Warenstromanalyse“, behandelt. Am Freitag, den 24.04. ausschließlich der Themenblock: Aviäre Influenza ( HPAI ) behandelt, was aufgrund des derzeitigen „Seuchengeschehens“ nicht weiter verwunderlich sein sollte.

Für den BDRG nahm Franz Nuber Mitglied des Tier- und Artenschutzbeirates, an der Podiumsdiskussion teil.

Folgend Themen wurden von den Referenten in einem umfangreich der Themenblock vorgestellt.

  • Ablauf einer epidemiologischen Ausbruchsuntersuchung (Prof. F.J. Conraths, FLI)
  • HPAI H5N8 in Kleinstbeständen im Landkreis Vorpommern-Greifswald 2016/2017 (Dr. G. Pannwitz, Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Standort Greifswald)
  • HPAI H5N8 in Großhaltungen 2016/2017 – Biosicherheit (Dr. T. Homeier, FLI)
  • HPAI Bekämpfung in Zoos und Tierparks unter Erhaltung exotischer Vogelarten: Möglichkeiten im Rahmen der Geflügelpestverordnung (Dr. A. Globig, FLI)
  • Sequenzbasierte Analyse von Herkunft und Verbreitung neuer hochpathogener aviärer H5N8 Influenzaviren aus den aktuellen Ausbrüchen in Europa 2016/2017 (Dr. A. Pohlmann, FLI)
  • Epidemiologische Erkenntnisse zu Pathogenitäts-Shifts von AI-Viren in Deutschland (Dr. K. Dietze, FLI)
  • Zusammenfassung des aktuellen Standes: Ausbruchgeschehen 2016/2017 (Dr. C. Sauter-Louis,FLI)

Da eine Wiedergabe der gesamten Vorträge zu umfangreich wäre, können sic sich die Tierschutzbeauftragten der Länder und Fachverbände bei der Arbeitstagung des Tier- und Artenschutzbeirates auf Haus Düsse bitte direkt an Franz Nuber wenden.

Die Thematik „HPAI Bekämpfung in Zoos und Tierparks…“ wird ausführlich in einem Vortrag auf der VZI-Tagung am 20.05.2017 dargestellt werden.

Zum Abschluss des Themenblocks gab es eine gut einstündige Podiumsdiskussion mit dem Titel: „Aviäre Influenza: Lücken und Handlungsspielräume in der Tierseuchenbekämpfung“

Die Podiumsgäste waren

  • Dr. Karin Schwabenbauer, Leiterin der Unterabteilung Tiergesundheit, Tierschutz im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und Vorsitzende des OIE
  • Dr. Dirk Freitag, Leiter der Abteilung Lebensmittelüberwachung, Veterinärwesen, Fischerei im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Mecklenburg-Vorpommern
  • Dr. Gunter Pannwitz, Amtstierarzt im Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Vorpommern-Greifswald
  • Friedrich-Otto Ripke, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V.
  • Dr. Timm Harder, FLI/Institut für Virusdiagnostik, Leiter NLR für Aviäre Influenza
  • Franz Nuber, Mitglied des Tier- und Artenschutzbeirates des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter e.V.
  • Moderator: Prof. Dr. Franz Josef Conraths, FLI/ Institut für Epidemiologie

Der Moderator, Prof. Dr. Conraths stellte die Eingangsfragen. Später waren auch Fragen aus dem Auditorium zugelassen.

Franz Nuber äußerte sich für den BDRG zu der Frage: „Wie beurteilen Sie das laufende Geflügelpestgeschehen aus Sicht Ihres Verbandes?“ wie folgt: „ Der Bund Deutscher Rassegeflügelzüchter sieht sich zum einen natürlich in der Pflicht für die Verbandsmitglieder, zum anderen jedoch darüber hinaus auch in einer gewissen Verantwortung gegenüber einzelnen Hobbyzüchtern und Hobbyhaltern, da deren Tiere in gleicher Art und Weise unter den Folgen einer landesweiten Aufstallung zu leiden haben. Die Geflügelhaltung ist hier nicht von wirtschaftlichen Faktoren geprägt, sondern hat einen hohen gesellschaftlichen Wert. Die Tiere werden mit Fürsorge betreut und sind nicht selten fester Bestandteil der Familie. Speziell in Hobbyhaltungen kommt es oft zu einer ganz besonderen Verbindung zu den einzelnen Tieren. Sowohl in der Rassegeflügelzucht als auch in der Hobbyhaltung resultiert aus den Aufstallungsbedingungen enormer Stress. Hierdurch initiiert treten dann recht häufig Aggressionen, Federpicken und im schlimmsten Fall sogar Kannibalismus auf. Bei Groß- und Wassergeflügel stellt sich die Problematik noch viel gravierender dar. In der Wirtschaftsgeflügelzucht sind die Linien so selektiert, dass sie ein relativ geringes Aktivitätspotential an den Tag legen und eher „lethargisch“ ihr Dasein fristen. Anders würde man schwerlich den Platzbedarf eines Masthähnchens oder einer Legehenne in Intensivhaltung mit der Größe eines DIN A4- Blattes umschreiben können und das lebenslänglich. Für ein Masthähnchen beläuft sich das in der Regel auf 8 Wochen. Aufstallungsbedingten Todesfälle und Zuchtaufgaben durch Aussichtslosigkeit in Bezug aufgrund der Haltungsform kann es bei organisierten Züchtern zu großen, unwiederbringlichen Verlusten seltener oder gar bedrohter Rassen kommen. Dies würde dann zwangsläufig die Biodiversität herab setzt. Unter Aufstallungsbedingungen ist eine Reproduktion äußerst schwierig und beim Wassergeflügel quasi nahezu unmöglich. Organisierte Züchter und Hobbyhalter züchten im „Aufstallungsmodus“ nur so viele Tiere nach, wie sie unterbringen können, häufig wird dann allerdings gar nicht reproduziert. In der Wirtschaftsgeflügelzucht sieht dies in Bezug auf den Tierschutz (§1 des Tierschutzgesetzes) allerdings derzeit völlig anders aus. Hier verwies Franz Nuber auf die Tötung von hunderttausenden Eintagsküken, was ethisch und moralisch in keiner Weise haltbar ist. Bezüglich der Biosicherheitsmaßnahmen ändert sich für die Wirtschaftsgeflügelzucht nichts, hier ist die Aufstallung eigentlich Standard. Für die Züchter und Halter ändert sich jedoch alles bezüglich der artgerechter Haltung und des Managements. Da das AI-Virus ein dunkles, kaltes und feuchtes Milieu bevorzugt, ist die Aufstallung eher kontraproduktiv. Durch die Aufstallung gibt man den Viren optimale Lebensbedingungen. In der Infektions- und Seuchenlehre gilt: „Je höher die Besatzdichte, desto höher der Infektions- und Seuchendruck und umso höher die Mutationsrate der Viren“. Wissenschaftliche Studien belegen, dass unter hohem Infektions- und Seuchendruck schneller ein Virus von LPAI zu HPAI mutieren kann als in artgerechter Freilandhaltung. Hier wurde der Vergleich mit einer Grippewelle in einem Kindergarten zu einem Grippeausbruch bei in kleinen Gruppen spielenden Kindern in verschiedenen Gärten zur Veranschaulichung herangezogen. Durch das Ministerium von Niedersachsen genehmigte Impfprogramm gegen H9N2 seit 2013 sowie die in der vietnamesischen Wirtschaftsgeflügelzucht durchgeführten Impfungen gegen H5N1 mit fraglicher Effektivität und unkalkulierbaren Risiken zeigt sich, dass Impfungen für die Rassegeflügelzucht und die Hobbyhaltungen nicht sinnvoll sind.

„Wo sehen Sie Lücken und Handlungsspielräume der Bekämpfung der Geflügelpest in Deutschland?“, war die zweite an den BDRG gerichtete Frage.

Der BDRG sieht Bedarf für Schutzmaßnahmen im Bereich der Wirtschaftsgeflügelzucht, da diese einen hohen Wirtschaftsfaktor darstellt. Aber auch der Verbraucherschutz sollte effektiver gestaltet werden. Eine Verbrauchertäuschung wie in Baden-Württemberg bezüglich des Verkaufes von „Freilandeiern“ ist nicht tragbar. Zur Wahrung einer sinnvollen Relation zwischen Wirtschaftsgeflügelzüchtern zu Rassegeflügelzüchtern und Hobbyhaltern sollte hier Risiko und Nutzen (schon aufgrund der „Betriebsgrößen“) sinnvoll abgewogen werden. Betrachtet man die HPAI-Ausbrüche von November 2016 bis zum 16.03.2017, so waren 16 Zoos und Tiergärten sowie 21 Klein- und Gemischthaltungen betroffen. Dem gegenüber stehen im Bereich Wirtschaftsgeflügel 39 Putenmastbestände, acht Enten-, vier Hühner- und zwei Gänsehaltungen (Daten siehe Dr. Carola Sauter-Louis/ FLI). Die Gesamtzahl der in der Wirtschaftsgeflügelzucht gekeulten Tiere im Vergleich zu den bei Rassegeflügel- und Hobbyhaltern gekeulten Tieren steht in einer exorbitanten Diskrepanz.

Im Hinblick auf sinnvolle Schutzmaßnahmen sollte wie folgt gehandelt werden: Große Bestände, großes Risiko, hohe Auflagen. Kleine Bestände, kleines Risiko, niedrige und angemessene Auflagen.

Verwunderlich ist die Tatsache, dass in Dänemark, Schweden und Norwegen keine Vogelgrippefälle gemeldet wurden und die Niederlande, Belgien und Luxemburg ohne Aufstallung das Seuchengeschehen gut im Griff hafen. Mit etwas Sarkasmus schob Franz Nuber in einem Nachsatz ein, dass die Wild- und Zugvögel doch recht gesetzestreu zu sein scheinen, lassen sie doch die hochpathogenen AI-Viren an der Grenze zurück, da hierauf wohl der deutsche Staat oder sogar das FLI Lizenzrechte zu haben scheinen. Die Äußerung hatte zwar keine wissenschaftliche Basis, ließ aber allen Anwesenden incl. Prof. Dr. Conraths ein Lachen entlocken.

Auf die Frage nach Ideen und Anregungen des BDRG für die Zukunft antwortete Franz Nuber wie folgt: Der BDRG distanziert sich von landesweiter Aufstallpflicht. Er fordert fest deklarierte Restriktionsgebiete um ein Ausbruchsgeschehen sowie Beobachtung und Beprobung in dem Restriktionsgebiet für 21 Tage. Dann sollte eine Neubewertung und ohne weitere Ausbrüche die Aufhebung der Stallpflicht für das entsprechende Restriktionsgebiet verpflichtend sein. Unnötige und tierschutzrelevant fragliche landesweite Aufstallungen sollte es nicht mehr geben.

Eine deutliche Trennung zwischen HPAI und LPAI, mit dementsprechende Änderungen in der Geflügelpestverordnung bezüglich der Vorgaben zur Keulung ist schnellst möglich erforderlich, denn Ausbruch ist nicht gleich Ausbruch.

Zudem sollte unabhängige Ursachenforschung vor purer Symptombekämfung und eine sinnvolle Klinik vor Keulung stehen.

Der BDRG sieht es als unabdingbar die derzeit bestehende Geflügelpestverordnung zu Modifizieren, um klare Richtlinien für Behörden und besonders die Amtstierärzte zu schaffen. Sinnvollerweise sollten Verbände wie z.B. BDRG und Zooverbände mit einbezogen werden.

In der anschließenden offenen Diskussion wurde die schon in der Vortragsreihe ( sogar in bebilderten Präsentationen seitens des FLI ) oft angesprochene nicht vollständige oder gar nachlässige Umsetzung der Biosicherheitsmaßnahmen - insbesondere bei Putenmastbetrieben -thematisiert. Laut FLI wird hierauf künftig ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Bei erheblichen Verstößen gegen Grundregeln der Biosicherheit im AI-Ausbruchsbetrieb sollte eine Minderung der Entschädigungsleistungen durch die Tierseuchenkasse in Erwägung gezogen werden, so Dr. Timo Homeier vom Friedrich-Löffler-Institut. Die ganze Thematik reicht selbst in die Familien der Mitarbeitern des FLI was Dr. Timm Harder sehr deutlich anhand eines Telefonates mit seiner Tochter dokumentiere, welche bemängelte:“ Du Papa, in ganz Schleswig-Holstein gibt es keine Freilandeier mehr zu kaufen, und du bist Schuld!“ Dies habe ihn schon nachdenklich werden lassen, warf Dr. Harder ein.

In der Abschlussrunde bemerkte Frau Dr. Karin Schwabenbauer , dass man seitens des Ministeriums sicherlich versäumt habe den kleinen Züchtern und Haltern das nötige Augenmerk zu widmen. Frau Dr. Schwabenbauer sieht Handlungsbedarf in der Modifizierung der Geflügelpestverordnung und wird ein Rundentischgespräch im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit einigen Verbänden im Juni dieses Jahres planen. Da Frau Dr. Schwabenbauer i Vorsitzende des OIE ist, hat sie stets die aktuellsten Zahlen aus erster Hand. Ihr ist das Missverhältnis der Ausbrüche zwischen Kleinbetrieben und Wirtschaftsgeflügelzucht bekannt sowie alle damit verbundenen Tierzahlen. In einer Zusammenfassung der Podiumsdiskussion hieß Prof. Dr. Conraths u.a. die Modifizierung der Geflügelpestverordnug als sinnvollen Schritt, um hier auch Behörden klarere Vorgaben, Sicherheit und einige Handlungsspielräume an die Hand zu geben. Die Anregung seitens Herrn Riepke vom Zentralverband der Deutschen Wirtschaftsgeflügelzucht an den BDRG, dass man versuchen sollte eine Versicherung für alle Geflügelhalter zu finden, die im Falle einer vom eigenen Betriebes verursachte Keulung eines anderen Betriebes anfallenden Schadensersatzzahlungen übernimmt wurde von Franz Nuber abgelehnt. Es sei viel dringlicher zu klären, von welcher Haltungsform das größere Risiko ausgeht.

Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung führte Franz Nuber noch ein längeres und intensives Gespräch mit Frau Dr. Schwabenbauer und Prof. Dr. Conraths führen, bei dem einige sinnvolle Möglichkeiten und Punkte bezüglich einer Modifikation der Geflügelpestverordnung angesprochen wurden.

In der Summe war es eine sehr informative Veranstaltung, die - wie zu erwarten- nicht immer ganz ohne Reibungspunkte ablief und in der auch heftig diskutiert wurde. Es gibt für kleine Züchter und Hobbyhalter begründeten Anlass zur Hoffnung keinen Winter mehr zu erleben wie 2016/2017! 

 

Franz Nuber
Mitglied im Tier- und Artenschutzbeirat des BDRG