Nach einem initialen Kontakt mit Wissenschaftlern des Friedrich-Löffler-Institutes (FLI) zu Tierseuchen und Rassegeflügel am 24. Mai 2024 (siehe Zusammenfassung Dr. Michael Götz in Geflügel-Zeitung 7/2024, Seiten 32 und 33) kam es am 15. August 2025 zu einem zweiten Gespräch. Hieran nahmen von Seiten des FLI teil: Herr Professor Dr. Timm Harder (Institut für Virusdiagnostik, World Organisation for Animal Health [WOAH] Experte für Aviäre Influenza), Herr Privatdozent Dr. Christian Grund (Institut für Virusdiagnostik, WOAH Experte für Newcastle Disease), Frau Dr. Anja Globig (Institut für Internationale Tiergesundheit, Fachtierärztin für Virologie) und Frau Dr. Anne Günther (Institut für Virusdiagnostik). Den BDRG vertraten der Ehrenpräsident Christoph Günzel, die Präsidentin Ute Hudler sowie Dr. Uwe Bamberger als Beauftragter für Tier- und Artenschutz.
Themen des Gesprächs waren die landläufig als Vogelgrippe bezeichnete Aviäre Influenza sowie die auch als Atypische Geflügelpest bekannte Newcastle Disease.
Professor Harder schilderte die augenblickliche epidemiologische Situation der Aviären Influenza. Die Erreger sind mittlerweile in Deutschlang endemisch, sprich sie können ganzjährig in der Vogelpopulation nachgewiesen werden. Durch den Vogelzug können vermehrt Erreger eingetragen werden, insbesondere können ziehende Vögel neue Virusvarianten mitbringen. Geeignete Biosicherheitsmaßnahmen stellen das wichtigste Element des vorbeugenden Schutzes von Geflügelbeständen dar. Hiermit kann die Möglichkeit des Eindringens in Bestände minimiert werden. Meine Frage nach der Ursache des trotz hoher Sicherheitsmaßnahmen immer wieder erfolgenden Auftretens von Aviärer Influenza in großen Wirtschaftsgeflügel-Beständen blieb letztlich unbeantwortet. Die Vertreter des BDRG erklärten grundsätzliche Unterschiede zwischen verantwortungsbewusst gehaltenem hochwertigen Rassegeflügel und Hobbyhaltungen in Hinterhöfen. Zudem wiesen sie auf die vielfältigen Informationen der in ihm organisierten Züchter durch den BDRG hin. Professor Harder sieht im Augenblick eine rückgehende Zahl von Fällen der Aviären Influenza bei Wildvögeln, die vermutlich auf deren mittlerweile erworbenen Immunität gegen den Erreger beruht. Er wies aber darauf hin, dass dies für den weiteren Verlauf des Seuchengeschehens keine große prognostische Wertigkeit habe. Eine amtliche Risikobewertung muss immer die lokalen Gegebenheiten im Auge haben und kann somit regional stark variieren. Das FLI kann in seiner Risikobewertung nur allgemein gültige Empfehlungen vorschlagen. Dies gilt insbesondere auch bei der Genehmigung für die Durchführung von Geflügelausstellungen und -märkten. So werden wir wieder einmal sehen müssen, was uns der Herbst bringt.
Bei den diagnostischen Möglichkeiten zum Ausschluss der Aviären Influenza im Rahmen von Untersuchungen von Ausstellungstieren sieht Professor Harder im Augenblick keine Alternative zum Virusnachweis in Rachen- und Kloakenabstrichen mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Proben hierfür müssen 72 Stunden vor dem Verbringen auf die Ausstellung genommen werden. Die zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden sollten die Beurteilung auch einer größeren Zahl von Proben in den zuständigen Veterinäruntersuchungsämtern erlauben. Alternativ verfügbare Antigen-Schnelltests können dem Halter eine Orientierung geben, für amtliche Untersuchungen sind sie aufgrund ihrer geringen Empfindlichkeit nicht zugelassen. Für nicht empfindlich hält übrigens Dr. Grund auch die Sentinelhaltung.
Ein wesentlicher Teil des Gesprächs galt der Möglichkeit der präventiven Immunisierung zum Schutz vor Aviärer Influenza. Trotz aller Schwierigkeiten bei der Immunisierung gegen Influenzaviren ist dies in meinen Augen die einzige langfristig anzustrebende vorbeugende Möglichkeit. Und sie ist machbar, bei der menschlichen Grippe wird sie seit Jahren praktiziert. Aber obwohl mit starker staatlicher Unterstützung flächendeckende Impfungen von Enten in Frankreich sehr positive Ergebnisse erbrachten und auch Feldversuche an Hühnern in den Niederlanden scheinbar erfolgreich verliefen (hier kenne ich die Ergebnisse im Einzelnen noch nicht), machten die Vertreter des FLI dem BDRG keine Hoffnung, dass auf diesem Weg in absehbarer Zeit in Deutschland Möglichkeiten zum Schutz der Tiere seiner Züchter zu erwarten sind.
Der zweite Teil der Gesprächsrunde galt Fragen um die Newcastle Disease. Hier sprachen wir zuerst über die Abgrenzung dieser Erkrankung bei Hühnervögeln von der Paramyxovirose der Tauben, wo zurzeit deutsches und europäisches Recht unterschiedliche Auslegungen implizieren. Dr. Grund als ausgewiesener Spezialist für die Newcastle Disease sieht keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem für die Erkrankung der Tauben verantwortlichen Virusstamm von dem der Newcastle Disease bei Hühnervögeln. Eine einheitliche rechtliche Abtrennung erscheint mithin schwierig. Letztlich sprachen wir die zunehmend schwierigere Situation bei der Impfung von Hühnervögeln mit Lebendimpfstoffen gegen die Newcastle Disease an. Hier versteht das FLI unseren Standpunkt, ist aber letztlich nicht zuständig für eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen und hat hierauf auch nur bedingt Einflussmöglichkeiten. Dr. Grund plädierte auch bei der Impfung von Hühnervögeln gegen die Newcastle Disease für eine Injektion mit einer Adsorbatvakzine, die einen lange wirksamen Schutz gewährleistet.
Abschließend vereinbarten wir eine zukünftige engere Zusammenarbeit im Hinblick auf die Information unserer Züchter sowie der deutschen Tierärzte-schaft, insbesondere von Vereinen betreuenden Tierärzten, und auch der Amtsveterinäre, um ein einheitlicheres Handeln in unterschiedlichen Bereichen unseres Landes zu erreichen.
Es bleibt festzuhalten, dass trotz teilweise verschiedener inhaltlicher Sichtweisen dieses Gespräch am Friedrich-Löffler-Institut in einer sehr angenehmen und offenen Atmosphäre stattfand. Wir fühlten uns mit unseren Anliegen ernstgenommen, die Argumentation der Wissenschaftler des Institutes war stets sachlich und wissenschaftlich basiert.
Dr. med. vet. Uwe Bamberger
Beauftragter für Tier- und Artenschutz des BDRG
Konkrete Ergebnisse, die in den Gremien (Seuchenbeirat, Beirat für Tier- und Artenschutz) des BDRG weiterverfolgt und umgesetzt werden müssen sind:
1. Mit Dr. Anja Globig haben wir eine Ansprechpartnerin für die Risikoeinschätzung des FLI. Wir haben damit die Möglichkeit, konkret die Trennung von Abgabe von Lebendgeflügel im Reisegewerbe, Geflügelmärkten und zu unseren Geflügelausstellungen vornehmen zu lassen.
2. Dr. Christian Grund bietet uns an, gemeinsam Schulungen und Unterrichtungen zu dem Thema Newcastle-Disease unsere Amtsveterinäre und Vereinstierärzte zu entwickeln und durchzuführen.
3. Prof. Dr. Timm Harder ist in einer Task Force zur Erarbeitung von bundeseinheitlichen Empfehlungen für Geflügelausstellungen. Er wird in der finalen Phase den BDRG mit einbinden. Unsere Aufgabe soll es sein, die Umsetzbarkeit der Empfehlungen für die Praxis zu beurteilen und eventuell zu ergänzen. Das ist ein riesiger Vorteil für unser Ausstellungwesen.
Grundsätzlich haben wir einen weiteren engen Austausch vereinbart.
Ute Hudler
Präsidentin BDRG e. V.